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Der Bundes Roma Verband fordert dringend Verbesserungen zur Situation geflüchteter Roma aus der Ukraine in Deutschland

Der Bundes Roma Verband fordert dringend Verbesserungen zur Situation geflüchteter Roma aus der Ukraine in Deutschland

Bereits im März 2022 hatte der Bundes Roma Verband die Stellungnahme Bewegungsfreiheit und Schutz für Roma aus der Ukraine veröffentlicht. Darin hatte der Dachverband der migrantischen Roma in Deutschland auf die drängendsten Probleme der fliehenden Roma aus der Ukraine verwiesen und Empfehlungen an die Politik gegeben, wie diesen begegnet werden kann. In diesen Empfehlungen verwiesen wir vor allem auf die Diskriminierung und den Rassismus, auf die Unterbringungssituation, die sprachlichen Probleme und den Umstand, dass ein Teil der ukrainischen Roma undokumentiert ist.

Bereits seit Beginn des Krieges haben wir Diskriminierung und Rassismus gegen flüchtende Roma verzeichnet. Diese ereignen sich in der Ukraine selber, an den Grenzen und in den Ländern, in die Roma fliehen. Auf unseren Recherchereisen haben wir uns die Situation in Polen und Tschechien angesehen. Aufgrund der katastrophalen Lage für geflüchtete Roma dort, haben wir viele von ihnen dabei unterstützt, in Deutschland Zuflucht zu finden. Jedoch ist auch hier die Lage verbesserungsbedürftig.

Nach nunmehr fast acht Monaten Erfahrung mit geflüchteten Roma in Deutschland, Recherchen in verschiedenen deutschen Städten und Gesprächen mit anderen Roma-Organisationen sowie ehren- wie hauptamtlichen Unterstützer:innen, richtet der Bundes Roma Verband folgende Empfehlungen an Politik und Verwaltung auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene:

Vereinfachtes Aufnahme-Verfahren für Roma aus der Ukraine

Ukrainische Roma sind Nachkommen von Überlebenden und Opfern der Verfolgung und Vernichtung während des Nationalsozialismus, dem Porajmos. Manche sind selbst noch Überlebende. Analog zur jüdischen Zuwanderung aus der Ukraine, muss es auch für die Roma ein vereinfachtes Verfahren zur Aufnahme in Deutschland geben. Hierfür bietet sich entsprechend §23 Abs. 2 AufenthG an: „Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet nicht statt. Den betroffenen Ausländern ist entsprechend der Aufnahmezusage eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis zu erteilen…“

Es braucht große Räume

Überwiegend Frauen und Kinder sind auf der Flucht, mit Jugendlichen und manchmal pflegebedürftigen Angehörigen. Ein Großteil der Geflüchteten aus der Ukraine wird in (privaten) Wohnungen untergebracht. Das ist sehr zu begrüßen. Roma haben jedoch große Probleme, eine Wohnung zu finden, da sie häufig in größeren Gruppen fliehen und sich nicht aufteilen wollen, um sich zu schützen. Zudem wollen viele Vermieter:innen sie nicht als Mieter:innen. Sie müssen daher übermäßig lang in großen Unterkünften verbringen, die zudem häufig infrastrukturell schlecht angebunden sind. Damit sind Schule, Arbeit, medizinische Versorgung und Anbindung an Roma-NGOs schwer zu erreichen.

Neben den Kriegstraumata, die sie erlitten, berichten Roma von massiven Diskriminierungen und Beleidigungen entlang der Fluchtrouten Richtung Westen. Auch in den Unterkünften in Deutschland kommt es regelmäßig zu Problemen mit weißen Ukrainer:innen, die nicht mit Roma untergebracht werden wollen. In manchen Städten kam es gar zu Protesten durch weiße Ukrainer:innen. Gleichzeitig werden immer wieder Roma durch Unterkunfts-Leitungen, Verwaltungen und Medien als das Problem dargestellt.

Es braucht großzügige Unterbringungsmöglichkeiten, wo Menschen gemeinsam untergebracht werden können.

Laut Bund stehen aktuell etwa 6400 Immobilien in staatlicher Hand leer, die für die Unterbringung von Geflüchteten in Frage kommen. Die Kommunen müssen überprüfen, ob diese Gebäude tatsächlich eine angemessene Unterbringung darstellen. Dazu zählt auch, dass die Gebäude infrastrukturell gut angebunden sind, um Zugang zu Schule und Arbeit zu ermöglichen und somit eine gute Integration zu gewährleisten.

Es braucht Dolmetscher:innen aus der Community

Viele Romnja sprechen Romanes, Ukrainisch und/ oder Russisch, jedoch nicht die Sprachen der Länder, in die sie fliehen. Manche Roma aus der westlichen Ukraine sprechen weder Ukrainisch noch Russisch, sondern Ungarisch. Unter Roma gibt es aufgrund der vorherrschenden strukturellen und institutionellen Diskriminierung eine erheblich höhere Zahl an Personen, die nicht lesen und schreiben kann als in der ukrainischen Mehrheitsbevölkerung. Das trifft manchmal selbst auf Roma zu, die in der Ukraine zur Schule gegangen sind, jedoch institutionell diskriminiert worden sind. Sie sind auf Dolmetscher:innen angewiesen. In der Regel sind die Sprachmittler:innen jedoch weiße Russ:innen oder Ukrainer:innen, also Angehörige der Mehrheitsbevölkerung. Wenn Mehrheitsangehörige für Minderheitenangehörige aus derselben Bevölkerung dolmetschen, führt das immer wieder zu Problemen, wie wir aus der langjährigen Erfahrung mit geflüchteten Roma aus Jugoslawien (und teilweise aus eigener Erfahrung) wissen. Häufig bringen die Mehrheitsangehörige ihre Stereotype gegen Roma mit. Verstellende, falsche oder verweigerte Übersetzungen sind gängig und führen für die Betroffenen zu nicht selten gravierenden Problemen.

Daher sind Dolmetscher:innen aus der Roma-Community absolut notwendig.

Gleichzeitig ist eine Sensibilisierung sowohl der Migrationsberater:innen als auch der weißen Dolmetscher:innen notwendig.

Es braucht Unterstützung bei Antragstellungen

Aufgrund des dargestellten Problems, dass viele Romnja nicht lesen und schreiben können sowie der schlechten Erfahrung mit Behörden im Herkunftsland, benötigen sie Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen. Sei es beim Antrag auf Aufenthalt und Leistungen oder bei der Schulanmeldung der Kinder.

Kinder müssen beschult werden

Unabhängig vom Unterbringungsort haben Kinder ein Recht auf Bildung. Kinder und Jugendliche müssen ins reguläre Schulsystem inkludiert werden. Auch bei Familien, die über lange Zeiträume in Aufnahmelagern bleiben, müssen die Kinder und Jugendlichen Zugang zu regulären Schulen haben. Das ist aktuell meist nicht möglich, da die Lager weit abgelegen und schlechte Anbindung an die Schulen haben.

Gleichbehandlung dokumentierter und undokumentierter Geflüchteter

Zur leider auch schon vor dem Krieg existierenden strukturellen Diskriminierung gehört, dass viele Roma in der Ukraine keine Pässe haben oder gar gänzlich undokumentiert sind. Von den schätzungsweise 400.000 in der Ukraine lebenden Roma haben ca. 20 Prozent keine Papiere. Andere haben ihre Dokumente im Zuge der Flucht verloren. Für all diese Menschen ist es deutlich schwieriger, die Grenzen zu passieren und sich vor dem Krieg in Sicherheit zu bringen.

Der Bundes Roma Verband hat von Anfang an auf dieses Problem hingewiesen und auf eine Gleichbehandlung dokumentierter und undokumentierter Ukrainer:innen gedrängt. Zwar ist das Problem der Politik auf Bundesebene bekannt, auf der lokalen Ebene jedoch kommt es zu der befürchteten Ungleichbehandlung. Ukrainer:innen ohne Dokumente, also in der Regel Roma, werden ins Asylverfahren geschickt. In der Folge erhalten sie keinen Aufenthalt nach §24 und die damit verbundenen Privilegien wie die anderen Ukrainer:innen. Dies ist dringend zu ändern, damit diese ohnehin besonders vulnerable Gruppe denselben Schutz und die selben Privilegien – Arbeitserlaubnis, Sprach- und Integrationskurse, Anbindung ans Jobcenter, Leben in Privatwohnungen etc. – erhält wie die anderen Ukrainer:innen.

Hier ist insbesondere auch mit dem ukrainischen Konsulat zu bearbeiten, wie gänzlich undokumentierte Ukrainer:innen, also jene, die über keinerlei Papiere verfügen, unbürokratisch Dokumente erhalten können.

Sofern dieses Problem nicht behoben wird, droht ein Abrutschen in die langjährige Duldung –  mit den Folgen wie wir sie seit Jahrzehnten bei einem Teil der Roma aus Ex-Jugoslawien sehen.

Es braucht strukturelle Förderung der Roma-NGOs

Aktuell übernehmen Roma-Selbstorganisationen einen großen Teil der Unterstützung geflüchteter Roma aus der Ukraine ehrenamtlich. Es gibt bundesweit nur sehr wenige Stellen, die beratend tätig sind. Gleichzeitig sind die regulären Migrationsberatungsstellen sowohl personell als auch thematisch überfordert und treten an uns mit entsprechenden Bedarfen heran. Um langfristig eine Integration, oder vielmehr Inklusion, in die Gesellschaft zu fördern und die Fehler im Umgang mit den geflüchteten Roma aus Jugoslawien zu vermeiden, benötigen die Roma-Selbstorganisationen strukturelle Förderung für:

  • Mediator:innen aus der Roma-Community, die engmaschig die ankommenden Roma unterstützen, begleiten, sie aufklären, wie das deutsche System funktioniert und zwischen Angehörigen der Community und Behörden sowie Schulen vermitteln und den Zugang zur Roma-Community in Deutschland bieten. Diese müssen bei den Roma-Selbstorganisationen angesiedelt sein.
  • Sozial- und Migrationsberatung, die bei allen bürokratischen Angelegenheiten unterstützen, Anträge ausfüllen, bei der Kommunikation mit Behörden und Schulen sowie der Wahrnehmung von Rechten unterstützen, sowie auch bei der Einschulung, bei der Suche nach Wohnung, Arbeit und medizinischer Hilfe.
  • Fortbildungen zur Sensibilisierungen von Dolmetscher:innen, Mitarbeiter:innen von Verwaltungen, Unterkünften und Beratungsstellen.
  • Begegnungs- und Schutzräume für Romnja, die vielfach durch Krieg und langjährige Diskriminierungserfahrungen traumatisiert sind.

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