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Massive Unregelmäßigkeiten im Mordprozess gegen Rom in der Ukraine

anti-Roma riots in Ukraine

In der Oblast Odessa ist vor zweieinhalb Jahren ein kleines Mädchen vergewaltigt und ermordet worden. Als mutmaßlicher Täter wurde ein junger Roma verhaftet. Anschließend verwüstete ein aufgebrachter Mob die Häuser von Roma, während die Polizei tatenlos zusah, und die gesamte Roma-Community wurde geräumt (mehr lesen). Nun sind berechtigte Zweifel an der Schuld des Mannes aufgekommen und ein Gericht hat geurteilt, dass die Räumung rechtswidrig war.

Massive Unregelmäßigkeiten im Mordprozess gegen Rom in der Ukraine

Anscheinend waren „Beweismittel“, die einen jungen Rom mit einem ermordeten Kind in Verbindung gebracht hatten, gefälscht. Seine Verhaftung hatte zu gewalttätigen Angriffen gegen Roma in der Oblast Odessa geführt.

Das ist nicht das erste Mal, dass Probleme im Verfahren gegen den jungen Mann auftreten, der sich seit zweieinhalb Jahren in Arrest befindet und sich dort wohl eine Tuberkulose zugezogen hat. Nun gibt es jedoch Hinweise auf eine vorsätzliche Fälschung von Beweismittel.

Kurz nachdem die 8jährige Angelina in der Nähe ihres Zuhauses in Loschtschyniwka tot aufgefunden worden war, ist der damals 21jährige Mychajl Chebotar verhaftet worden. Der junge Mann hatte sein ganzes Leben in dieser Gegend verbracht. Jedoch wurde nun die Tatsache, dass er Rom ist, von Anwohner_innen zum Anlass für Ausschreitungen genommen. Dabei wurden Häuser von Roma zerstört und Bewohner_innen gezwungen zu fliehen. Die Angriffe gingen um die Welt – auch da die Behörden auf Seiten der Angreifer standen, und die Roma-Familien „überzeugten“, die Gegend zu verlassen.

Der Prozess gegen Chebotar begann im November 2017 in Odessa. Bisher wurden sechs Zeug_innen aufgerufen, während 44 weitere sowie acht Expert_innen noch gehört werden müssen.Am 14. Februar hat das Gericht Chebotars Haft weiter verlängert, nachdem ein Zeuge ihm anscheinend ein Alibi gegeben hatte. Am gleichen Tag, als der Bescheid kam, gab es eine Zeugenaussage, die entscheidende Beweise gegen ihn in Frage stellt.

Bei letzterer handelt es sich um die Befragung Ihor Manzoruk, der in dem Fall DNA-Proben untersucht hatte. Hier wurden im Prozess nun massive Unregelmäßigkeiten festgestellt (detailliert im unten verlinkten Artikel nachzulesen).Zudem gibt es weitere Probleme mit der Anklage gegen Chebotar. Der Forensiker, der das tote Mädchen zuerst untersucht hatte, kam zu dem Ergebnis, dass Angelina in der Nacht vom 26. auf den 27. August zwischen 22 Uhr und 1:25 Uhr ermordet worden war. Die Staatsanwaltschaft behauptet hingegen, Chebotar habe das Verbrechen um 3 Uhr begangen, wobei der Angeklagte ein Alibi bis mindestens 2:30 Uhr hat.

Tetyana Gerasimova vom Centre for Legal Monitoring hat angedeutet, die Ermittler könnten Aussagen aus Chebotar heraus geprügelt und den Fall gegen ihn zusammengeschustert haben. Allerdings sagte sie auch, es gebe Indizien, die gegen ihn sprächen. So sei seine Mütze auf dem Bett des Opfers und die Mordwaffe in seinem Haus gefunden worden. Außerdem scheinen Spuren seiner DNA an der Hand des kleinen Mädchens gefunden worden zu sein – zusammen mit DNA-Spuren einer bisher nicht identifizierten Person. Die Offensichtlichkeit der ersten beiden Beweismitteln, die Zweifel an der Echtheit von DNA-Spuren in dem Fall sowie die Tatsache, dass von Anfang an keine andere Version als Chebotars Schuld jemals in Betracht gezogen wurde, verdeutlichen, dass der Fall einer genauen Untersuchung bedarf. Da Chebotar so früh verhaftet wurde und keine andere Spur verfolgt wurde, ist es Besorgnis erregend, dass nie andere DNA-Proben genommen wurden.

Chebotar hatte den Großteil des fraglichen Abends mit Angelinas Stiefvater Oleksandr Matjasch und einigen anderen Leuten verbracht. Matjasch hatte ausgesagt, sie seien in einer Bar gewesen und hätten später den Geburtstag der Freundin seines Bruders gefeiert. Dort seien sie bis gegen Mitternacht gewesen und dann wieder in die Bar zurückgekehrt.

Unterwegs hätte Matjasch nach den Kindern gesehen. Er habe gesehen, dass Angelina und ihr jüngerer Bruder geschlafen hätten und sei gegangen. Chebotar sei nicht ins Haus gegangen, sondern habe draußen gewartet. Sie seien bis 3 Uhr in der Bar gewesen. Danach sei Matjasch nach Hause gegangen und sei sofort eingeschlafen, da er sehr betrunken gewesen sei.

Es waren die Ereignisse in Loschtschyniwka nach Angelinas Mord und Chebotars Verhaftung, die großes, auch internationales, Echo fanden.

Eine Gruppe von 150-170 Anwohner_innen setzte ein Gebäude von Roma in Brand und verwüsteten mehrere andere. Vermutlich wurde nur niemand verletzt, da die Hausbewohner_innen rechtzeitig fliehen konnten.

Die Polizei war zahlenmäßig weit unterlegen und Videoaufnahmen zeigen, dass sie keinerlei Anstalten machte, einzuschreiten, sondern nur herumstand und zuschaute. Sie forderte auch keine Verstärkung an. Erst nachdem sich lokale Behörden verhandlungsbereit erklärt hatten, beruhigte sich der Mob. Zu dem Zeitpunkt waren bereits zehn Häuser zerstört worden.

Es ist nicht bekannt, auf welche Art und Weise die Roma-Community überzeugt worden ist,  Loschtschyniwka zu verlassen. Diese Vereinbarung zeigt jedoch, dass die Behörden auf Seiten der Angreifer standen.

Am 10. August 2018 kam das Verwaltungsgericht in Odessa zu dem Schluss, dass die Entscheidung, die Roma-Community zu räumen, rechtswidrig war. Die Untätigkeit der Polizei hingegen befand es nicht für gesetzwidrig und wies auch den Antrag auf Schadenersatz ab.

Wahrscheinlich wird die Angelegenheit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte landen, der feststellen wird, dass die Ukraine die Rechte der Roma in Loschtschyniwka verletzt hat und Schadenersatz zahlen muss.

 

Der Text ist eine leicht gekürzte Übersetzung eines Artikels von Human Rights in Ukraine.
Stoppt die Eskalation der ultrarechten Gewalt gegen Roma in der Ukraine.

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