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Geplante Verschärfungen im Aufenthaltsrecht stoppen! Empfehlungen der UKA umsetzen!

Das BMI hat einen „Diskussionsentwurf“ vorgelegt, der eine Vielzahl von Änderungen im Aufenthalts- und Asylrecht vorsieht, mit dem übergeordneten Ziel der „Verbesserung der Rückführung“ – also mehr Abschiebungen. Dieses Papier macht deutlich, dass die Ampel-Regierung und Innenministerin Nancy Faeser nahtlos an den Kurs ihrer Vorgänger wie Horst Seehofer und Thomas de Maizière anknüpft und Flucht und Migration vor allem als etwas sehen, das möglichst verhindert werden soll. Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wollte noch einen „Paradigmenwechsel“ und einen „Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik gestalten, der einem modernen Einwanderungsland gerecht wird“  – unter anderem durch eine Abschaffung der Arbeitsverbote, die auch für Asylsuchende aus den sogenannten „Sicheren Herkunftsstaaten“ gelten, sowie einer Beendigung illegaler Zurückweisung an den Grenzen und des Leides an den EU-Außengrenzen.

Wir müssen aber feststellen, dass vor allem diejenigen Maßnahmen umgesetzt werden, die ein Mehr an Abschottung, Abschreckung und Abschiebung bedeuten, oder die allenfalls eine Migration derer ermöglichen, die ihre ökonomische Verwertbarkeit unter Beweis stellen können. Zwar wurde das Chancen-Aufenthaltsrecht als Versuch eingeführt, Langzeitgeduldeten eine Perspektive für einen sicheren Aufenthalt zu bieten, doch diese Regelung schließt in der Praxis viele Personen aus – gerade auch viele geflüchtete Roma – wie wir bereits an anderer Stelle ausgeführt haben. Das gleiche gilt für die geplanten Änderungen am Staatsangehörigkeitsgesetz, die hinter dem zurückbleiben, was nötig wäre, um wirksame Verbesserungen für viele geflüchtete Menschen – darunter viele seit Jahren und Jahrzehnten in Deutschland lebende Roma – zu bringen.

Stattdessen bahnt sich eine abermalige Runde von Verschärfungen an, und gleichzeitig sollen im Bundeshaushalt die Mittel für Psychosoziale Zentren und Migrationsberatungsstellen drastisch gekürzt werden. So werden viele Betroffene noch weniger Möglichkeiten haben, ihre Rechte durchzusetzen und ihre gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern.

Aus unserer Sicht besonders problematisch sind die folgenden Punkte:

  • Künftig soll allein die mutmaßliche Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen. In der Öffentlichkeit wurde dieser Vorschlag (auch seitens Regierungsvertreter*innen) als Maßnahme gegen sogenannte „kriminelle Clans” präsentiert. Abgesehen davon, dass das Konzept der „kriminellen Clans” und der ganze Diskurs darum enorm problematisch und rassistisch aufgeladen ist und der Begriff „Clan“ keine rechtliche Definition hat, stellt diese geplante Änderung einen schweren Verstoß gegen elementare rechtsstaatliche Prinzipien dar. Denn anders als bei einer kriminellen Vereinigung aus Personen, die sich freiwillig zusammenschließen, wird man dem allgemeinen Verständnis nach in einen „Clan” hineingeboren. Mitglieder bestimmter Familien auszuweisen, ohne dass sie selbst Straftaten begangen haben, ist nichts anderes als Sippenhaftung. Das kann Konflikte innerhalb von Familien fördern und ist vor allem eine Abkehr vom fundamentalen rechtsstaatlichen Grundsatz des Schuldprinzips, wonach die Strafbarkeit immer an ein persönliches, individuelles Verhalten einer Person anknüpft. Schon vor einem Jahr war im Referentenentwurf zur Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts ursprünglich vorgesehen, dass direkte Angehörige von Personen (auch Minderjährigen), die eine Straftat begangen haben, keinen Aufenthalt nach §104c bekommen sollten. Nach verfassungsrechtlicher Kritik wurde dieser Punkt wieder gestrichen.


„Kriminelle Clans” sind im deutschen Diskurs immer nur Familien, die als „fremd” markiert werden. Obwohl es auch Deutsche gibt, die zusammen mit Verwandten Straftaten begehen, ist nie von kriminellen deutschen Clans die Rede.
Die Unterstellung, bestimmte Personen seien aufgrund ihrer „Abstammung” oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe kriminell veranlagt, bedient sich aus der Mottenkiste einer wissenschaftlich diskreditierten Kriminalbiologie und knüpft in verhängnisvoller Weise an eine Tradition rassistisch motivierter Repression unter dem Deckmantel der Kriminalitätsbekämpfung an. Historisch gesehen waren Roma bzw. Sinti und Roma wohl diejenigen, die am stärksten unter dieser Praxis litten. Sie erreichte in der Nazi-Zeit ihren Höhepunkt, wurde aber bereits davor etabliert und in der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik fortgesetzt.


Auch wenn der mediale Fokus meist auf „arabische”, „türkische” oder „libanesische” Clans liegt, wird das Stigma „Clan” immer wieder auch auf Roma angewandt, wie zuletzt im Lagebericht „Clan-Kriminalität” in Niedersachsen. In dem Bericht werden nur 0,76% der Straftaten der „Clan-Kriminalität“ zugeordnet. Obwohl es sich also selbst in der Strafverfolgung nur um ein Randphänomen handelt, wird es in Politik und Medien als massive Bedrohungslage inszeniert. Denn der „kriminelle Clan” ist eine perfekte Projektionsfläche für eine Verquickung von autoritären Law-and-Order-Sehnsüchten und Rassismus, wie der sensationalistische und skandalisierende öffentliche, mediale und politische Diskurs zeigt. Diese Gesetzesvorschläge sind ein Ausdruck davon.


Eine bittere Ironie in diesem Zusammenhang ist, dass die Landesregierung von Baden-Württemberg seit vielen Jahren Sammelabschiebungen in die Westbalkanstaaten durchführen lässt von einer Fluggesellschaft, die sich im Besitz eines Konsortiums aus dem Bereich der organisierten Kriminalität in Bulgarien befindet.

  • Bislang muss eine Abschiebung bei Personen, die mehr als ein Jahr lang geduldet wurden, grundsätzlich vorher noch einmal angekündigt werden. Auch wenn diese gesetzliche Vorgaben in einigen Fällen mit rechtlich fragwürdigen Mitteln umgangen  und deshalb nicht immer effektiv umgesetzt wurde, ist die vorgesehene Abschaffung dieser Regelung ein Rückschritt und ein weiterer Beweis dafür, dass die Bundesregierung Abschiebungen auch dann favorisiert, wenn Bleiberechtsoptionen existieren. Aus der Praxis wissen wir, dass auch Personen, die seit vielen Jahren geduldet sind – hierzu gehören auch viele Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien – sich oftmals erst angesichts einer konkret bevorstehenden Abschiebung an Beratungsstellen wenden. Diese Möglichkeit soll künftig entfallen. Ausnahmeregelungen für Familien mit Kindern sind ebenso wenig vorgesehen wie z.B. für andere besonders vulnerable Personengruppen, etwa kranke, alte, behinderte oder traumatisierte Menschen.
  • Geplant ist, Menschen leichter und länger inhaftieren zu können. Beispielsweise soll eine Einreise bei bestehendem Einreise- und Aufenthaltsverbot selbst dann ein Haftgrund sein, wenn keine Fluchtgefahr besteht. Die Höchstdauer für Ausreisegewahrsam soll von zehn auf 28 Tage verlängert werden. Asylsuchende, bei denen zum Zeitpunkt der Asylantragstellung die Voraussetzungen für Abschiebungshaft vorliegen, sollen trotz Asylantrags inhaftiert werden können. Nach dieser Regelung könnten künftig prinzipiell alle neu ankommenden Asylsuchenden inhaftiert werden. Obwohl seit vielen Jahren bekannt ist, dass ein erheblicher Teil der Inhaftierungen in Abschiebungshaft rechtswidrig ist – den vorliegenden Zahlen zufolge rund die Hälfte aller Fälle – zeigt die Bundesregierung keinerlei Interesse an der Durchsetzung rechtsstaatlicher Standards bei der Abschiebungshaft, etwa durch die Beiordnung einer anwaltlichen Vertretung in Abschiebungshaftsachen, wie es in vielen Strafsachen vorgesehen ist.

An diesem Punkt wird die Heuchelei der politisch Verantwortlichen, die sich zur Rechtfertigung von Abschiebungen gerne auf die Notwendigkeit der Durchsetzung von Recht und Gesetz berufen, besonders deutlich. Die Durchsetzung von Recht und Gesetz ist ihnen nur dann wichtig, wenn es als Mittel zum Zweck nützlich ist – Recht und Gesetz werden auf dem Altar der politischen Opportunität geopfert, wenn sie der Durchsetzung politischer Interessen im Wege stehen.

  • Der Katalog der Fallkonstellationen, in denen ein Asylantrag als „offensichtlich unbegründet” abzulehnen ist, wird ausgeweitet, und zwar um mehrere Gründe, die im Verhalten der betroffenen Personen begründet sind und keinerlei Bezug zur Frage einer eventuellen Gefährdung im Herkunftsland haben – beispielsweise, wenn „Umstände die Annahme rechtfertigen“, dass die Person ein Identifikationsdokument vernichtet hat, wenn sie die Abnahme von Fingerabdrücken für das Dublin-Verfahren verweigert, oder wenn sie entgegen eines Einreise- und Aufenthaltsverbots einreist.

Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag einzulösen, einen klaren Paradigmenwechsel zu vollziehen und auszusteigen aus der Endlosspirale der Gesetzesverschärfungen der letzten Jahre. Es muss Schluss sein mit einer Politik, die geflüchtete Menschen vor allem als Bedrohung und Belastung ansieht, deren Zahl es durch Abschottung, Abschreckung und Abschiebung zu reduzieren gilt. Stattdessen braucht es dringend die versprochene „Migrations- und Integrationspolitik, die einem modernen Einwanderungsland gerecht wird“, welche die Bedürfnisse und Lebensrealitäten geflüchteter und migrantischer Menschen in Deutschland berücksichtigt und ihre Rechte und gesellschaftliche Teilhabe stärkt anstatt sie zu marginalisieren und Hetze gegen sie zu befördern.

Wir fordern die Bundesregierung auch auf, die Empfehlungen der Unabhängigen Kommission Antiziganismus (UKA) vollumfänglich umzusetzen. Hierzu gehören unter anderem die Anerkennung von geflüchteten Roma als besonders schutzbedürftige Personen, ein Abschiebestopp für Roma, die Rücknahme der Einstufung von Serbien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Montenegro und dem Kosovo als „Sichere Herkunftsstaaten, die Ermöglichung einer Wiedereinreise von Roma, die trotz starker Verwurzelung in Deutschland abgeschoben wurden, und eine Beendigung der Staatenlosigkeit von in Deutschland lebenden Roma.

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