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Nizaqete Bislimi Vorsitzende des Bundes Roma Verband e.V.und Rechtsanwältin in Essen mit Tätigkeitsschwerpunkt im Ausländer-und Asylrecht.

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Quelle: Franz Brück, Berlin

Ihr erster Eindruck von Deutschland war eine Nacht voll online gambeling furchtbarer Angst. Nach mehrtägiger Odyssee in einem Bus auf unbekannter Route war sie hinter einem Schleuser durch Wälder und Felder gestolpert. Die kleine „Niza“, so ihr Rufname, unterwegs in leichten Sandalen, war gerade 14 Jahre alt. Zwei Autos mit fremden Männern warten hinter der Grenze – ihre Familie wird getrennt. „Meine Mutter ist tausend Tode gestorben. Sie dachte, sie sieht uns nie wieder. Das Mädchen neben mir im Auto hat sich in die Hose gemacht.“ Doch am Ende der Fahrt können sich alle wieder in die Arme schließen.

Das war 1993. Nizaqete Bislimi floh mit ihrer Familie aus ihrer Heimat – damals wurden im Kosovo die Schulen geschlossen und ihr Vater bekam keinen Lohn mehr für seine Arbeit. Sie wurde als „Zigeunerin“ beschimpft und mit Stöcken bedroht.

Ein kakerlakenversuchtes Flüchtlingsheim als Ausdruck von Gastfreundschaft?

Nizaqete ist eine Romni, ein Roma-Mädchen, auf das in Deutschland niemand wartet, im Gegenteil. Das Jahr ihrer Ankunft ist das Jahr, in dem in Solingen  schlafende Frauen und Mädchen von Rechtsradikalen ermordet werden, nur weil sie Ausländer sind. Nachdem die Familie in Karlsruhe ihren Asylantrag gestellt hat, wird Niza nur wenige Kilometer von Solingen entfernt auf einem Rheinschiff in Düsseldorf einquartiert, das als Asylbewerber-Unterkunft dient. „Die Kabinen waren klein und das Schiff war so voll.“ Es folgen erkennungsdienstliche Maßnahmen und eine Anhörung – die übliche Prozedur für Neuankömmlinge.

Von der ausländerfeindlichen Stimmung im Land bekommt sie zunächst nicht viel mit, auch wenn die nächste Station, ein kakerlakenverseuchtes Flüchtlingsheim in Oberhausen, nicht gerade ein Ausdruck von Gastfreundschaft ist. Sechs Menschen in einem Zimmer – und aus dem Raum gegenüber begaffen erwachsene fremde Männer Niza und ihre Schwestern, sobald die Tür aufgeht. „Das war sehr unangenehm.“ Das nächste Wohnheim wird für viele Jahre ihr Zuhause. Anwohner hatten zuvor versucht, das Erscheinen der Flüchtlinge zu verhindern.

„Den Sacharbeitern im Ausländeramt waren unsere Schicksale egal“

Es beginnt ein zäher, jahrelanger Kampf gegen die deutsche Ausländerbürokratie. „Die erste Antwort im Ausländeramt von Oberhausen war immer: ,Nein‘. Den Sachbearbeitern, die für Fälle wie unsere eingesetzt wurden, waren die Schicksale egal, die waren eiskalt.“ Der Asylantrag wird abgelehnt, der Aufenthalt und die Arbeitserlaubnis werden versagt, die Familie wird lediglich geduldet, immer nur für ein paar Monate. Die Bislimis leben in ständiger Angst, dass es nachts klingelt und im Morgengrauen die Abschiebung beginnt. „Das war jeden Abend das Thema in unserer Familie. Diese Angst, nachts abgeholt zu werden, hat meine Jugend geprägt.“ Soviel Ablehnung schafft Apathie und Depression – normalerweise. „Diese Unsicherheit zerrt an den Nerven. Vielen raubt das die Kraft, das kann man ihnen nicht verübeln. Die Menschen brauchen eine Perspektive, sonst resignieren sie.“ Bei der kleinen Niza ist es umgekehrt. Der Fall „Bislimi gegen die Bundesrepublik“ hat gerade erst begonnen.

Nach nur fünf Jahren macht Niza ihr Abitur – Notendurchschnitt: 2,1

„Ich hatte auch viel Glück. Da war dieses Ehepaar, das wir auf einem Begrüßungsfest der evangelischen Kirchengemeinde in Oberhausen kennengelernt haben und das sich jahrelang um uns gekümmert hat. Die haben mich immer wieder aufgebaut.“ Das engagierte Paar, eine Lehrerin und ein Awo-Mitarbeiter, hilft bei

der Arbeitserlaubnis und vermittelt Ausbildungsplätze; erklärt die Bescheide der Behörden. Niza büffelt ein Jahr lang nur Deutsch und in nur fünf Jahren nach ihrer Ankunft macht sie 1998 ihr Abitur – Notendurchschnitt 2,1.

Sie beginnt ein Jura-Studium in Bochum – die Kanzlei, die Anwälte, die die Familie seit Jahren betreuen, haben ihren Berufswunsch geweckt. „Ich wollte raus aus dieser Ohnmacht und mit den Sachbearbeitern in den Ämtern endlich auf Augenhöhe sein.“ Doch an ihrer rechtlichen Situation ändert sich nichts, das Damoklesschwert der Duldung baumelt immer noch über ihr, Annehmlichkeiten wie Bafög bleiben ihr versagt. Sie jobbt für ihr Studium und muss auch sonst manchen Tiefschlag verkraften: „Während meine Kommilitonen sich auf ihre Examen konzentrieren konnten, musste ich meine Eltern vor der Abschiebung retten.“

Das erste Semester Jura ist für die Studentin Bislimi ein Tiefpunkt. „Diese ganze Rechtssprache – es war unglaublich hart.“ Sie macht weiter: „Sollte ich warten, bis ich abgeschoben werde?“ Nach dem ersten Staatsexamen wird sie sogar zum Präzedenzfall. Darf eine Geduldete als Referendarin in den Staatsdienst? „Der halbe Vorstand der Bundesagentur für Arbeit hat sich damit befasst.“ Sie nimmt auch

diese bürokratische Hürde – und darf mit Sondererlaubnis. „Die im Ausländeramt haben längst gestöhnt, wenn sie meinen Namen gehört haben.“

Während sie Strafen für kleine Dieb beantragt, muss sie selbst als Illegale vor Gericht um ihren Aufenthalt kämpfen

Anwalt Eberhard Haberkern verfolgt Bislimis Schicksal seit rund 20 Jahren. Er hat die Familie von Anfang an vertreten. Nun ist Nizaqete seine Kollegin im Büro nebenan in der Kanzlei in Essen. „Es ist schon sehr bemerkenswert, das Recht  eines Staates studieren zu wollen, der einen als unerwünscht betrachtet. Es war hart für sie und zeugt von sehr starkem Willen“, sagt Haberkern. „Sie hat als Referendarin die Staatsanwalts-Robe getragen und musste Strafen für kleine Diebe beantragen, während sie selbst eine Illegale war und wir vor Gericht um ihren Aufenthalt kämpfen mussten.“ Trotz ihrer außergewöhnlichen Integrationsleistungen erlebt sie das Verhalten der Behörden als schikanös: „Man  hat mir das Aufenthaltsrecht angeboten, wenn ich dafür meine Eltern und Brüder dazu bewege, das Land zu verlassen und in den Kosovo zurückzukehren.“

Dann endlich der Erfolg: Dem zuständigen Verwaltungsgericht wird es zu bunt. Es empfiehlt dem Ausländeramt dringend, Familie Bislimi den Aufenthalt in der Bundesrepublik zu gewähren. So kommt es dann auch. Jahre später kann die Rechtsanwältin einen weiteren stillen Sieg genießen: „Nach einer Fachtagung kam der Chef des Oberhausener Ausländeramtes auf mich zu und hat sich bei mir entschuldigt“, sagt Bislimi. Wie die Behörde sich in ihrem Fall verhalten habe, sei nicht in Ordnung gewesen. „Das hat mir sehr viel bedeutet. Es wird so viel Potenzial, Kraft und Energie durch diesen Umgang mit den Menschen vergeudet.“

Inzwischen hat die gesamte Familie einen sicheren Aufenthalt

Inzwischen genießt die gesamte Familie einen sicheren Aufenthalt, alle vier Geschwister stehen im Berufsleben. Und Nizaqete Bislimi? Hat den Kampf um Asyl, Aufenthalt, Anerkennung und Arbeitserlaubnis zu ihrem Beruf gemacht, in der Kanzlei in der Essener City, die bereits ihren Fall betreut hat. Die Kanzlei ist seit 30 Jahren in diesem Geschäft. Bislimi hat dort schon als studentische Hilfskraft gearbeitet.

Ihre Herkunft als Roma verschweigt sie nicht mehr. Nach ihrem TV-Auftritt in der ARD-Talkshow von Sandra Maischberger bekam sie Drohungen. Das Thema damals: „Feindbild Sinti und Roma“. „Die Briefe habe ich geschreddert.“ Die Bleiberechtsregeln hätten sich nicht zuletzt dank EU-Rechts verbessert, aber die ausländerfeindliche Gesinnung ist längst nicht verschwunden.

Nun kann sie einem Verwaltungsrichter als Anwältin aus eigener Erfahrung schildern, dass seine Vorstellung einer illegalen Einreise mit freundlich grüßendem Grenzbeamten vor dem Wappenschild der Bundesrepublik realitätsfern ist – und dass die Aussage ihres Mandanten, den Einreiseweg nicht zu kennen, keineswegs unglaubwürdig sei, sondern den Regelfall darstellen dürfte. „Das Ausländerrecht war als Anwältin für mich vorgezeichnet. Es ist ein Riesenvorteil, wenn man selbst so eine Geschichte hat.“ Sie muss viel psychologische Arbeit leisten, die Mandanten aufbauen, wenn sie mal wieder gegen eine bürokratische Wand gelaufen sind. „Aber den Leuten mitzuteilen, dass sie sich jetzt endlich eine Arbeit suchen dürfen, das rettet nicht nur ihnen den Tag.“

Quelle: Anwaltsblatt Karriere (02/2013, S. 50-54)

http://anwaltauskunft.de/magazin/gesellschaft/panorama/522/portrait-einer-rechtsanwaeltin-durch-die-wand/

8 kommentare

  1. Dr.med.Helmut Latz

    Sehr geehrte Frau Bislimi, nah Ihrem Fernsehauftritt habe ich sofort Ihr Buch gekauft und innerhalb eines Wochenendes gelesen.
    Sie haben wunderbare Worte gefunden.Wir sind von einer menschlichen Einwanderungspolitik noch weit entfernt.Ihr Buch sollte Pflichtlektüre für unsere Politiker sein.
    Wir werden alles tun, Ihre Ideen und Wünsche einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.
    Ein persönlicher Rat:machen Sie unbedingt weiter Sport um durch physische Kraft den psychischen Belastungen standzuhalten.
    Alles Gute für Sie und Ihre Mitstreiter,Dr.Helmut Latz 41751 Dülken

  2. Eva-Maria Babusch

    Betr.: „Kölner Treff“. Hallo, Frau Bislimi ! GRATULATION, dass sie u. ihre Familie es geschafft haben u. „anerkannt“ wurden. Wir,(eine deutsche Familie) haben vor 23 Jahren einen 1 1/2 jährigen, kranken, Kosovo-Albaner als Pflegekind aufgenommen. Wir haben alles, aber wirklich alles versucht, um ihm mehr Rechte zu verschaffen, haben alles hinter uns, ständige Duldungen, Aufenthaltstatus, diskreminierende Behandlung durch`s Ausländeramt, (obwohl wir meist noch besser behandelt wurden, als die Asylbewerber). Zwischenzeitlich sollten wir selbst NRW nicht verlassen, obwohl wir immer nach Hessen in eine Wirbelsäulenklinik mußten, usw., usw.
    Für einige Zeit haben wir Gott sei Dank ein Ersatzdokument von einem fantastischen Mitarbeiter bekommen u. konnten mit ihm einige schöne Reisen, AIDA usw. unternehmen. Heute ist er so krank, Herz, Muskeln, Wirbelsäule, Sauerstoffgerät, dass er kaum noch laufen kann u. nicht mehr aus dem Haus will.
    Bevor er 18 wurde haben wir ihn adoptiert, weil wir die unheimlich belastende Situation nicht mehr ertragen konnten. Soweit ich weiß, ist seine Mutter u. sind seine leiblichen Brüder immer noch ohne Aufenthaltstatus.
    Egal wen wir kontaktiert haben, wir haben damals bis zum Bundespräsidenten geschrieben, waren bei Pro Asyl, usw. immer hieß es:
    Kosovo-Albaner bekommen hier keine Rechte.
    Na ja, wir haben es durch Adoption geschafft. Ich kann nur sagen es hat uns sehr viel Kraft u. Nerven gekostet, zu mal wir noch 4 Kinder angenommen haben, u 3 eigene.
    Ihr Auftritt hat uns sehr gefallen, weiterhin viel Erfolg u. viel Kraft.
    Freundliche Grüße, Eva-Maria Babusch

  3. Guten Tag liebe Leser,
    ich kämpfe auch mit der Ausländerbehörde in Eutin , mit einem, vermutlich sehr rechtsgerichteten, Mann. Herrn Volker Fehring.
    Dieser ist ein Roma und Ausländerhasser.
    Ich bin Deutscher und mit einer lieben Roma verheiratet.
    Die wollen sie abschieben usw.
    Wir haben schon Selbstmordgedanken
    Liebe Gruesse

    Frank und Vesna

  4. Christian Wallrich

    Verstehe das Gejamner nicht. Sind als Deutsche ebenso bescheiden untergebracht. Kein Unterschied, gleich rechtlos.

  5. Wi solch eine recht fur mein kinda bekomme disind in mosbach geboren und jetzt wissin in srbien

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